LABEL 56 56ER UND IHR SCHREIBTISCH Auf deiner Website steht: „Ich möchte Ihnen nichts über Hobbys erzählen – aber über Wichtiges.“ Was steckt hinter diesem bewussten Fokus? Ich finde, dass der öffentliche Raum zu oft mit Belanglosigkeiten gefüllt wird. Wer ich bin, sollte sich nicht daran bemessen, was ich sonntags esse oder wo ich Urlaub mache. Was mich an- treibt, sind die Dinge, die ich verändern kann. In Menschen, in Strukturen, im Denken. Wenn je- mand zu mir kommt, geht es nicht um Smalltalk – sondern um Verantwortung. Mein Beruf ist kein Job, sondern eine Haltung. Und dieser Haltung möchte ich gerecht werden. „Ihr Wohlbefinden steht an erster Stelle, weil es mit meinem Wohlbefinden verknüpft ist.“ Wie kam es zu dieser Haltung? Ich sehe jeden Behandlungserfolg nicht nur als Bestätigung meiner Arbeit, sondern als Spiegel meiner ethischen Grundhaltung. Wenn es Ihnen schlecht geht, habe ich etwas übersehen. Wenn Sie sich besser fühlen, habe ich etwas richtig ge- macht. Diese Verbindung zwingt mich, wach zu bleiben, klar zu bleiben, und niemals in Routine zu verfallen. Das ist kein Marketing-Satz – das ist mein innerer Vertrag mit mir selbst. Du sagst, dass du nicht nur behandeln möch- test, sondern spürbare Veränderung bewir- ken. Wie gelingt dir das konkret? Veränderung beginnt dort, wo ein Mensch zum ersten Mal wirklich zuhört – und sich selbst nicht mehr belügt. Ich kann jemanden dehnen, mobilisieren oder schröpfen – doch wenn der Geist nicht bereit ist, mitzuziehen, wird alles zur Symptombekämpfung. Ich arbeite mit Men- schen, nicht mit Befunden. Deshalb frage ich: Wofür wollen Sie gesund werden? Wenn da keine ehrliche Antwort kommt, ist es meine Aufgabe, gemeinsam eine zu finden. 36 Was war die größte Veränderung, die du selbst je durchlebt hast? Mich selbst nicht mehr als Opfer der Umstände zu sehen, sondern als Gestalter meines Weges. Das hat Jahre gedauert. Und es war schmerzhaft. Aber es war der Wendepunkt. Du bist heute Therapeut – jemand, der anderen Halt gibt. Gab es früher jemanden, der dir diesen Halt gegeben hat? Meine Mutter war mein Anker. Auch wenn wir nicht viel hatten, hatte sie immer diesen Blick: „Du schaffst das.“ Und irgendwann fing ich an, es selbst zu glauben. Du bist in einem sibirischen Dorf aufgewachsen – wie erinnern sich dein Körper und deine Seele an diese Landschaft? Die Weite. Die Stille. Die Winter, in denen alles gefroren war – auch manchmal die Hoffnung. Aber auch das Holz der Häuser, das Knirschen unter den Stiefeln, das Gefühl, Teil von etwas Ur- sprünglichem zu sein. Welche Rolle spielen Methoden wie Schröpfen oder Bauchdeckenmassage in deinem individuellen Behandlungskonzept? Diese Methoden sind für mich keine „Extras“, sondern Werkzeuge, die ich gezielt einsetze – je nach Mensch, je nach Ziel. Schröpfen kann Blockaden lösen, wo Hände allein nicht weiter- kommen. Die Bauchdeckenmassage wirkt tief im vegetativen Nervensystem. Ich sehe mich als Architekt der Behandlung – jeder Mensch bringt einen anderen Plan mit, und meine Aufgabe ist es, dieses Bauwerk aus Schmerz, Hoffnung und Potenzial wieder aufrichten zu helfen. A