Waren Ihre Entwürfe schon damals so puristisch? Ja, das ist erstaunlich. Wenn ich mir meine ersten Entwürfe anschaue, denke ich: krass. Pu- ristischer Mantel, Stehkragen - natürlich immer ein wenig extremer, manchmal auch untragbar, aber alles sehr, sehr pur. Und ich habe zwischen- durch auch in Finnland studiert, was mich eben- falls geprägt hat. Wie kamen Sie auf die Idee, nach Finnland zu gehen? Es gab die Möglichkeiten: Mailand, Paris, Spa- nien - das war aber alles so bunt und wie immer. Dann kam zum ersten Mal die Möglichkeit hinzu, Austausch mit Finnland zu machen. Wow, dach- te ich, als Südländerin in Skandinavien! Das interessierte mich. Bis heute habe ich dort noch sehr gute Freunde, zum Beispiel eine Künstlerin, deren Bilder hier in meinem Laden hängen und Lebendigkeit reinbringen. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration? Was mich sehr inspiriert sind Ausstellungen, puristische Architektur und Musik, durch die ich in eine besondere Stimmung komme und kreativ werde. Mit The Doors begebe ich mich ein wenig in Trance, könnte man sagen. Auch habe ich mich viel mit experimenteller, mini- malistischer Musik beschäftigt - Stockhausen zum Beispiel. Ich habe Freunde, die das machen und sogar Instrumente dafür produzieren. Dazu habe ich mal eine Kollektion rausgebracht, die den Instrumenten nachempfunden war. Viele Falten, die für ein Akkordeon standen - oder in ein Modell arbeitete ich die Seite einer Geige ein, solche Sachen. Kleidungsstücke mit einer ungewöhnlichen Story dahinter. Genau. Tanztheater bewegt mich auch und führt zu Ideen. Oder das Kleid, das da drüben hängt, war ursprünglich ein Brautkleid. Ich habe etwas komplett Anderes daraus kreiert und schwarze Farbkleckse darauf verteilt. Altes wurde Neu. 56ER UND IHR SCHREIBTISCH LABEL 56 Farbkleckse als Ausdruck von Gefühlen? Ja, weil es sehr schwungvoll ist. Meine Kollektio- nen sind schon sehr persönlich, da es ja das ist, was mich bewegt. Künstler sind so. Aber ich hat- te auch mal eine Kollektion, die sehr politisch war. Damals hatte ich Diskussionen mit meiner Professorin, die meinte, das sei sehr kritisch. Ich sagte ihr: “Gut, ich finde, Kunst und Mode darf auch mal kritisch sein.” Was machte die kritische Kollektion aus? Selbstentfremdung. Vor 20 Jahren war es noch anders, da hat man sich noch nicht so sehr mit der Frage beschäftigt: Wer und wie bin ich? Ich wollte nichts mit Farben übertünchen. Habe Tei- le entworfen, die die Arme einschränkten oder Schlitze enthielten, die bis unter den Bauchna- bel gingen. Man konnte reingucken - vielleicht in die Person reinschauen. Die Trägerin konnte sie offen oder geschlossen tragen und entschei- den, wie sehr sie sich ihrem Gegenüber öffnen möchte. 41