sind und es selbst entwickeln. Dann lasse ich es laufen und wir sprechen darüber. Das ist nicht diktatorisch von oben gesetzt, sondern es ist ein Kreativprozess, bei dem ein kulturelles Gebilde entsteht. Wie wichtig ist ein gutes Teamgefühl innerhalb des Ensembles? Über die Jahrzehnte habe ich miterlebt, dass Künstlerinnen und Künstler einander nicht mochten. Man spürte zum Beispiel Neid, Rivalität und Missgunst. Das behin dert die Kommunikation und den künst lerischen Prozess. Als Regisseur möchte man für ein gutes Arbeitsklima sorgen, aber Ressentiments lassen sich nicht ausräumen. Das ist Sache der Intendanz, die die Rollen besetzt. Als Intendant muss man sich fragen: Funktio niert das in der Besetzung? Wie war es für Sie, Ihre eigenen Stücke von anderen inszeniert zu sehen? In Lahnstein hatte ich die Situa tion, dass ich Intendant und Au tor war, aber ein anderer mein Stück “Gestern, heute, morgen” als Regisseur inszenierte. Als Intendant schaut man üblicher weise bei den Proben rein, um zu sehen, ob es läuft. Beim eigenen Stück habe ich damit gewartet und bin erst nach zwölf oder vierzehn Proben reingegangen. Dann sah ich, ob die Texte funktionieren. Es ist aber auch für den Regisseur bestimmt nicht sehr angenehm, wenn der Autor hinter ihm sitzt. Bei dieser Frage musste ich schmunzeln: Lieben oder hassen Sie Schauspieler? Meine CoIntendantin, die über 20 Jahre mit mir gearbeitet hat und ursprünglich aus dem Schauspiel kam, warf mir immer vor, dass ich als Intendant zu nah an dem En 56ER UND IHR SCHREIBTISCH LABEL 56 semble bin. Bei mir ist es ein empathischer Leidensprozess positiver und negativer Art, wenn es mal nicht läuft. Ich hätte nicht mit den meisten zehn bis neunzehn Jahre lang zusammenarbeiten können, wenn ich sie nicht gemocht oder geliebt hätte. Was ist unter einem “sicheren Raum” für Schauspieler zu verstehen? Schauspielende sind sensible Menschen, die sich in einem unsicheren Raum be wegen. Sie sind einem Arbeitsprozess ausgesetzt, in dem sie immer wieder Kritik erfahren. Kritik der Intendanz, der Regie, mitunter kommt Neid eines Kollegen hinzu und so weiter. Deshalb war ich froh, dass wir in Lahnstein ein familiäres Klima hatten. Ihre Verträge gelten in der Regel höchstens für zwei Jahre und stellen eine große existenzielle Herausforderung dar. Kultur erhält zwar öffentliche Gelder, aber diese landen zuallerletzt bei den Menschen auf der Bühne. Schauspielerinnen und Schauspieler sind schlecht bezahlt, haben aber nur anderthalb freie Tage pro Woche und später eine kleine Rente. 41