Ist es nicht schlecht für Ihr Geschäft, wenn man Probleme löst, bevor sie entstehen? Wenn Sie einem Geschäftsführer erklären, wie man mit einer Durchsuchung umgeht, wie Aussageverweigerungsrecht oder Zeugnisver- weigerungsrecht funktionieren, dann bedeutet das Folgendes: Derjenige kommt sinnvollerweise ohnehin zu dir als Mandant, aber er macht bei der polizeilichen Befragung weniger Fehler, weil er in dieser Stresssituation einen kühleren Kopf behält. Er wird möglicherweise trotzdem ein Verfahren haben, aber das Verfahren führst du zu einem statistisch besseren Ergebnis. Wie stark ist die Kanzlei gewachsen, seit Sie hier sind? Anfang 2000 waren es etwa zwölf Anwältinnen und Anwälte mit Koblenz als einzigem Standort und jetzt sind wir mehr als 60 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Was ist das Geheimrezept für dieses Wachstum? Was von Anfang an gut funktioniert hat, war der Ansatz, dass man ganz eng zusammenarbeitet und Probleme frühzeitig angeht. Das Miteinander der Anwältinnen und Anwälte, die Teamarbeit, das gemeinsame Ziel und die Motivation machten den Ausschlag. 56ER UND IHR SCHREIBTISCH LABEL 56 Wie gehen Sie damit um, jeman- den zu verteidigen, von dem Sie vielleicht denken, dass er schuldig ist und hinter Gittern gehört? Eine klassische Frage. Ich beneide die Richter und Richterinnen nicht, denn sie haben oft schwierige Entscheidungen zu treffen. Philo- sophisch gesehen ist es meines Erachtens aber einfach: Sie können niemals damit einverstanden sein, dass jemand unschuldig verurteilt wird. Sie können auch nicht damit einverstanden sein, dass jemand über Gebühr, das heißt zu hart, bestraft wird. Wir leben in einer frei- heitlichen, humanistisch geprägten Gesellschaft. Und das soll auch so bleiben. Dafür zu ringen lohnt. Und was ist mit den Opfern? Strafrecht ist kein Opferschutzrecht, sondern das Recht des Staates, gegen seine Bürger vorzugehen. Der Bürger wiederum hat das Recht sich zu verteidigen. Ob es ein Opfer gibt oder nicht gibt, wird erst im Strafver- fahren geklärt und nicht vorher. Ich habe zu oft erlebt, dass das angeb- liche Opfer dann doch - zumindest auch - Täter oder Täterin war. Eine Einordnung vor Aufklärung des Sach- verhaltes ist mir zuwider. Wenn Sie einem Verbrecher helfen und er freigesprochen wird, kann er einfach weitermachen. Macht Ihnen das nichts aus? Nein, weil es meines Erachtens auch nicht so ist. Die Problematik ist ja immer: Was ist ein angemessenes oder ein „gutes“ Ergebnis? Ich habe einmal mit der Staatsanwaltschaft Koblenz und dem Landgericht Koblenz einen Deal gemacht. Meine Mandantin war nicht vorbestraft, 49