LABEL 56 56ER UND IHR SCHREIBTISCH Haben Sie jemals etwas ande res beruflich ausprobiert? Ja, etwa fünf Jahre in der Me- dizintechnik. Weil ich meinen Meistertitel selbst finanzieren wollte, besorgte ich mir dort einen Job im Lager. Dann durfte ich medizinische Geräte in Krankenhäusern ausliefern, mit auf Messen fahren und dort einiges selbst organisieren. Ich verdiente gutes Geld, wurde aber zunehmend unglücklich. Denn mein Wunsch war, in der Fleischerei zu arbeiten. Warum hat Ihnen die Fleischerei so sehr gefehlt? Die Arbeit hier ist sinnstiftend. Ich kann morgens ein neues Produkt entwickeln und es be- reits am Nachmittag probieren. Das heißt, man sieht, was man gemacht hat. Es gibt Ergebnisse. Zwar verbringe ich auch Zeit im Büro, aber ich treffe auch auf Kunden, teste neue Rezepturen und so weiter. Wie kamen sie letztlich in den Familienbetrieb zurück? Eine Zeit lang lebte ich in Hamburg und freute mich sehr, als mich ein Anruf von meinem Opa erreichte. „Jung, ich brauche Verstärkung“, sagte er. Ich packte sofort meine Sachen. Das war 2017. Nach wenigen gemeinsamen Wochen im Betrieb, schlug er mir eine Festanstellung vor und ein Jahr später fragte er mich, ob ich übernehmen möchte. Das war das Schönste für mich überhaupt, also nahm ich meinen Mut zusammen und wir gingen die Sache an, sodass ich seit 2019 die Firma leite. 48 Vielen Betrieben mangelt es an Nachfolgern aus der eigenen Familie. Woran liegt das? Im Handwerk ist es sehr schwierig Nachfolger zu finden und speziell die Lebensmittel-Gewerke haben es noch schwerer. Allein schon wegen den Richtlinien, Verordnungen und Hygienevor- schriften. Denn viele alteingesessene Unter- nehmen haben noch Bestandsschutz. Wenn dann die nächste Generation übernimmt, muss sie alles auf den neuesten Stand bringen. Das ist für viele finanziell nicht realisierbar, weil sich die Summe, die investiert werden muss, mit Lebensmitteln kaum noch verdienen lässt.