LABEL 56 56ER UND IHR SCHREIBTISCH märkten und Gastronomiebetrieben. Ich werde nie vergessen, wie ich im Sommer meines ersten Lehrjahres den Betriebsbus in Cochem am Marktplatz geparkt habe, weil ich beim Kunden eine Kälteanlage zu reparieren hatte. Als ich zurück zum Fahrzeug kam, waren sieben kleine Papier- zettel unterm Scheibenwischer: „Kommen Sie bitte bei mir vorbei.“ So gefragt war man? Und wie! Ich bekam Essen, Trinkgeld und alles, was ich brauchte. Einmal stand ich am Geldautomaten und stellte fest, dass ich vier Monate kein Geld abgehoben hat- te, weil ich die ganze Zeit von allen Seiten versorgt worden war. Die Anerkennung war beeindruckend. Später haben Sie den Meister gemacht. Genau. Ich ging nach Maintal an die Bun- desfachschule Kälte Klima Technik. Das ist in Europa eine gute Adresse. Daher wurde ich schnell abgeworben. Nach dem Motto: „Du machst den Meister, kennst dich mit Supermärkten aus, komm zu uns!“ Ein Kopfgeld von etwa 2000 DM war nicht un- gewöhnlich, denn Fachkräftemangel war in der Kälte schon immer Thema. Und ja, ich bin dann in die Schweiz, wo ich im Ver- gleich zu Deutschland das Doppelte oder Dreifache verdient habe. Sind Sie schnell beruflich aufgestiegen? Mit 26 Jahren war ich Montage-Chef mit 55 Leuten in meiner Abteilung. Mir gefielen Gleitzeit, Lohn, gute Arbeitsbedingungen. Das war die Firma Linde, ein Weltkonzern, in der Kälte-Technik weltweit die Nummer zwei. Linde baute sehr komplexe Anlagen und die Schweiz war damals das Versuchs- labor der Firma. Das heißt, es kam immer wieder jemand aus Frankreich, Norwegen oder Schweden und wir konnten den Leu- ten dann zeigen, was sich alles machen lässt. So lernte ich auch die Entscheider 48 aus Australien kennen, hatte Kontakte nach Asien und in die ganze Welt. Von den 180 Leuten, die die Anlagen gebaut haben, konnten nämlich nur drei diese auch in Betrieb nehmen. Ich war einer davon. Demnach waren Sie viel unterwegs, verdienten viel Geld, stiegen aber dennoch aus? Mein Fachwissen führte dazu, dass ich in meinen extremsten Zeiten 90 Stunden pro Woche ge- arbeitet habe. Im Maschinenraum irgendwo im zweiten Untergeschoss im Keller. Und da es sich ja nicht lohnt, nach Hause zu fahren, weil morgen die Anlage laufen muss, schläfst du auf einem Stück Pappe neben der laufenden Maschine. Obwohl du ein unendlich hohes Gehalt hast. Das ist aber so, weil du für deinen Job lebst. Irgendwann habe ich jedoch gemerkt, dass ich daran kaputtzugehen